Zwischen Geschichtsklitterung und ungeahnten Chancen für Frauen

Wanderausstellung im BildungsCenter der Kreishandwerkerschaft wirft Blick auf „Frauen – ein Leben im Handwerk“

Das Handwerk bietet ungeahnte Chancen für Frauen und Mädchen. Dabei ist die Geschichte von Frauen im Handwerk noch immer ein Buch mit vielen Siegeln – und zuweilen ein Zeugnis von Geschichtsklitterung. Diese Erkenntnis nahmen die Teilnehmer der Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellung „Frauen – ein Leben im Handwerk“ mit nach Hause. Außerdem gewannen sie viele neue Eindrücke von mutmachenden weiblichen Wegen durch ein traditionell männlich dominiertes Feld. Noch bis zum Jahresende zeichnet die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf im BildungsCenter Rheine mit der Ausstellung die Berufswege von verschiedenen Frauen  im Handwerk ganz persönlich nach. Am Freitag hatten die Veranstalter, die Kreishandwerkerschaft, das Kompetenzzentrum Frau & Beruf Münsterland sowie die Fachhochschule Münster, zur Eröffnung eingeladen.  

Mit ihren Thema greife die Ausstellung ein hoch aktuelles Thema auf, bescheinigte Kreishandwerksmeisterin Erika Wahlbrink. Langfristig seien die Handwerksbetriebe dringend auf weibliche Mitarbeiter angewiesen. Zwar sei der Anteil von weiblichen Auszubildenden in handwerklichen Berufen leicht steigend. „Was den Mädchen aber  fehlt sind Vorbilder“, so Wahlbrink. Die könnten sie in der Ausstellung finden.  

Für verblüffende Einsichten in das Thema der Ausstellung sorgte Dr. Thomas Felleckner von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. Der Historiker blickte auf die Geschichte von Frauen im Handwerk in Deutschland. Entgegen der allgemeinen Lehrbuchmeinung, weibliche Handwerker habe es in früheren Zeiten nicht gegeben, biete ein genauerer Blick in die Archive überraschende Einsichten. „Abseits der ausgetretenen Pfade der Geschichtsschreibung zeigt sich ein buntes und differenziertes Bild“, so Felleckner. So seien vor allem in den großen Reichsstädten bereits um 1300 selbständig arbeitende Frauen im Handwerk an der Tagesordnung gewesen. Mittelalterliche Gewerbelisten der Stadt Frankfurt etwa belegten einen hohen Anteil von Frauen in der Handwerkerschaft. Als Geschichtsklitterung bezeichnete Felleckner die Überlieferung, Frauen seien in den historischen Zünften nie zugelassen gewesen.  

Die allgemeine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ab dem 16. Jahrhundert führte aber zu einer Verdrängung der Frauen in nahezu allen Handwerken. Auch in der jüngeren Geschichte fänden sich immer wieder solche Tendenzen, wie zum Beispiel das Berufsverbot für Frauen auf dem Bau, das erst 1994 wieder aufgehoben wurde. Zuvor hatten weibliche Mitarbeiter maßgeblich zum Wiederaufbau Deutschlands beigetragen. Der Redner riet den Anwesenden, aus der Geschichte zu lernen und einmal Erreichtes keinesfalls als selbstverständlich hinzunehmen, sondern immer wieder um den Erhalt günstiger Strukturen für Frauen im Wirtschaftsleben zu ringen.  

In einer anschließenden Podiumsdiskussion, die von Andrea Blome moderiert wurde, erörterten Kreishandwerksmeisterin Erika Wahlbrink, die stellvertretende Obermeisterin der KfZ-Innung Warendorf, Susanne Block, KH-Geschäftsführer Günter Schrade und Dr. Thomas Felleckner die Möglichkeiten, Frauen für Handwerksberufe zu gewinnen. Dass die Betriebe mit einer Belegschaft von Männern und Frauen wirtschaftlich besser dastehen, wusste Felleckner wissenschaftlich zu belegen. „In gemischten Teams sind die Produktivität höher, die Arbeitsweise effizienter, das Betriebsklima besser und die Krankenstände niedriger.“

Die Ausstellung ist bis zum Jahresende in den Räumlichkeiten der KH in Rheine, Laugestraße 51, während der Öffnungszeiten zu sehen. Anmeldung von Besuchen größerer Gruppen sowie Anfragen zur Ausleihe der Ausstellung bei Claudia Höhn, <link mail window for sending>competentia.hoehn@kh-st-waf.de

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Zur Ausstellungseröffnung waren auch einige der portraitierten Frauen, darunter Tischlerin Jennifer Stalljohann (l.), Anlagenmechanikerin Christiane Döking-Storck (2.v.r.) und Metallbildnerin Melanie Kovacs (4.v.r.), gekommen. Claudia Höhn (Mitte) vom Kompetenzzentrum Frau & Beruf hatte die Veranstalter sowie die Teilnehmer des Podiums, Kreishandwerksmeisterin Erika Wahlbrink (4.v.l.), Susanne Block (5.v.l.), den Historiker Dr. Thomas Felleckner (5.v.r.) sowie KH-Geschäftsführer Günter Schrade (r.) begrüßt.