Zwei Seiten einer Münze

Handwerk sucht Azubis und Chefs

Nachwuchsmangel und fehlende Betriebsnachfolger – das sind die zwei Seiten einer Münze. Die demografische Entwicklung bedingt, dass das Handwerk sich nach unten wie auch nach oben strecken muss, denn – darüber ist man sich heute schon klar – es wird an Azubis ebenso fehlen wie an den Chefs, die den Berufsnachwuchs ausbilden können und wollen.  

„Die Situation ist für das heimische Handwerk sicherlich noch nicht so prägnant wie in anderen Teilen der Republik“, meint Hauptgeschäftsführer Frank Tischner von der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf, in deren Einzugsbereich immerhin nach der offiziellen Statistik rund 8.200 Handwerksunternehmen mehr als 56.000 Menschen beschäftigen und 4.500 Jugendliche ausbilden. Gleichwohl sieht er auch beim Handwerk in den Kreisen Steinfurt und Warendorf deutliche Anzeichen dafür, dass der grundlegende Wandel in der Altersstruktur des Handwerks bereits eingesetzt hat.  

„Im Bereich der uns angeschlossenen Innungen wurden mit Stichtag 31.12.2014 rund 4,6 % weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen. Dies ist noch nicht dramatisch, aufhorchen lässt uns aber das Ergebnis einer im Dezember durchgeführten Schnellumfrage bei unseren Mitgliedsbetrieben, ob noch geplante Ausbildungsstellen zum Ausbildungsbeginn im Sommer 2015 unbesetzt seien.“ In dieser nicht repräsentativen Umfrage wurden immerhin von den Handwerksbetrieben in beiden Kreisen, die geantwortet hatten, noch 235 freie Lehrstellen gemeldet. „Da sich längst nicht alle Betriebe gemeldet haben, ist der Bedarf wahrscheinlich noch größer“, vermutet der KH-Hauptgeschäftsführer.  

Die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf hat das Ergebnis ihrer Umfrage auch den allgemeinbildenden Schulen im Kreis zur Kenntnis gegeben. Man wollte damit die Schulen darauf aufmerksam zu machen, dass es im Handwerk in den Kreisen Steinfurt und Warendorf noch gute Chancen für einen qualifizierten Berufsausbildungsplatz gibt. Zugleich wurden Schulleitung sowie Klassen- und Fachlehrer gebeten, ihre Schülerinnen und Schüler auf die Ausbildungsmöglichkeiten im Handwerk hinzuweisen. Unter dem Aspekt, dass es im Handwerk für viele die Chance einer beruflichen Karriere gibt, erhielten neben den Haupt-, Real-, Verbund- und Gesamtschulen auch die Berufskollegs, Gymnasien und Förderschulen die Informationen zu den freien Ausbildungskapazitäten.    

Gerade im Hinblick auf die Tendenz „weg von der Berufsausbildung hin zum Studium“ möchte die Kreishandwerkerschaft zeigen, dass das Handwerk einen überall hinbringt – nicht zuletzt auch zur Uni. Damit will man, so Frank Tischner, zeigen, dass Lehre und Studium keine Entweder-Oder-Entscheidung sei, sondern eine Sowohl-Als auch-Option bedeute. Wobei „statt einem Studium auch eben der Meisterbrief im Handwerk für alle, die beruflich und karrieremäßig weiterkommen möchten, eine hervorragende Alternative ist“, stellt Tischner klar. Ob als selbständiger Unternehmer im Handwerk oder als Führungskraft in einem Handwerksunternehmen: Mit dem Meisterbrief, einem dualen Studium oder einem der vielen anderen Qualifikationswege stehen einem viele Wege offen.  

Dabei muss man nicht unbedingt selbst einen neuen Betrieb gründen, denn 22 % der heutigen Inhaber von Handwerksbetrieben im Bereich der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf sind 60 Jahre alt und älter, so dass hier in nächster Zeit die Betriebsnachfolge geregelt werden muss. „Trotz immer noch vieler Familienbetriebe ist es auch im Handwerk längst nicht mehr so, dass der Betriebsnachfolger immer in der eigenen Familie gefunden wird“, weiß der KH-Hauptgeschäftsführer zu berichten. In vielen Gesprächen und Beratungen für die Mitgliedsunternehmen erlebe man immer wieder, dass die Lösung der Betriebsnachfolge nicht bei den eigenen Kindern, sondern bei guten Mitarbeitern oder jungen Meisterinnen oder Meistern liegt, die ihr Knowhow und ihre Energie lieber in einen bereits am Markt etablierten Unternehmen einbringen möchten. Hier bieten sich für junge Leistungsträger statt der akademischen Laufbahn attraktive Alternativen, die man nutzen sollte.  

Damit die Handwerksunternehmen die für die Zukunftsgestaltung so wichtigen Nachwuchs-, Fach- und Führungskräfte auch bekommen und vor allem halten können, nimmt Frank Tischner auch die Betriebe in die Pflicht. „Die Entscheidung für einen Beruf beruht nur vordergründig auf den Blick in die Lohntüte. Vielmehr sind es die langfristigen Perspektiven wie auch die persönliche Wertschätzung, die die Wahl beeinflussen“, erklärt er. „Bereits während der Ausbildung sollte man anfangen, zusätzliche Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote zu machen, bei den ausgebildeten Fachkräften ist ständige Weiterbildung sowieso ein Muss und darf nicht bei den Führungskräften im Betrieb enden.“ Ein Umdenken ist erforderlich und die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf will dabei helfen. Neu in ihrem Weiterbildungsprogramm sind deshalb neben den klassischen Lehrgängen zur Meisterprüfung im Handwerk auch mehrere Module umfassende Seminare, die sich an die Führungskräfte und angehendes Leitungspersonal in mittelständischen Unternehmen richtet.

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In Handwerksberufen wie beispielsweise dem Anlagenmechaniker Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik hat man viel Karrierechancen bis hin zum Chef eines eigenen Unternehmens / (c) www.amh-online.de