Zuwanderung bietet Chancen für das Handwerk

Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft fordert mehr Möglichkeiten für Flüchtlinge

Barkindho Diallo ist ein gutes Beispiel. Dafür, dass Migration auch ein Zugewinn für hiesige Unternehmen ist. Und dafür, dass das Handwerk hierzulande von der Zuwanderung profitieren kann. „Wir können die Augen nicht davor verschließen: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Gerade für das Handwerk liegen darin große Chancen“, ist Frank Tischner, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft (KH) Steinfurt-Warendorf, überzeugt. Gemeinsam mit dem jungen Afrikaner und Friedrich Berkemeier, Arbeitgeber von Barkindho Diallo und stellvertretender Obermeister der Kfz-Innung im Kreis Steinfurt, erklärt er, wo die Chancen liegen.  

Seit einem Dreivierteljahr absolviert Barkindho Diallo (21) aus Guinea (Westafrika) im Autohaus Berkemeier in Saerbeck eine Ausbildung zum Fahrzeuglackierer. Als Flüchtling mit wenig Chancen auf ein positives Asylverfahren war er vor mehr als vier  Jahren in einer Unterkunft für Asylbewerber in Saerbeck gelandet. „Den ganzen Tag nur Warten, Essen, Schlafen – das war nichts für mich“, sagt er zurückblickend. Barkindho Diallo wandte sich an die Gemeinde und bat um Arbeit. Die bot ihm einen Ein-Euro-Job in der Gesamtschule an. „Ich wollte Kontakt zu den Menschen haben, sonst lerne ich die Sprache nicht“, erzählt der junge Mann. Er investierte seinen schmalen Verdienst in freiwillige Sprachkurse und fragte auf eigene Faust im Ort nach Arbeit.  

Nicht zuletzt wegen seiner offenen, sympathischen Art und seiner Bereitschaft zur Integration über die Sprache und den Sport fand Barkindho Diallo Menschen, die ihn in vielen Belangen unterstützten und förderten, wie zum Beispiel Friedrich Berkemeier. Bei einem Spaziergang wurde Barkindho Diallo auf dessen Autohaus aufmerksam. Während eines Praktikums dort stellte sich schnell heraus, dass die Ausbildung zum Fahrzeuglackierer das Richtige für ihn ist. Mit der Unterschrift unter den Ausbildungsvertrag gab er seinen Status und alle Ansprüche als Asylbewerber auf und wird nun für die Dauer der Ausbildung offiziell geduldet.  

„Hier geschieht etwas Gutes“, sagt KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner. „Ich möchte auch andere Handwerksunternehmen ermutigen, diesem Beispiel zu folgen. Wer den unbedingten Willen zur Integration hat, verdient eine Chance auf dem Arbeitsmarkt.“ Er nennt Fakten: „Bis 2030 fehlen der deutschen Wirtschaft acht Millionen Fachkräfte. Selbst wenn die Erwerbstätigkeit von Frauen erhöht und das Rentenalter angehoben wird, bleibt eine Lücke.“ Diese Lücke kann natürlich nicht durch die unkontrollierte Zuwanderung geschlossen werden, hier muss die Politik ein gesteuertes und geregeltes System entwickeln. Hier geht es im Wesentlichen um menschliche Aspekte.“ Wichtig werden die Bemühungen aller Beteiligten sein, die Flüchtlinge früh in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dann können und werden diese Menschen, so Tischners Einschätzung, ein Zugewinn sein.  

„Das ist immer eine Einzelfallentscheidung – und Barkindho hätte ich, auch ohne seine besondere Geschichte zu kennen, eingestellt“, ist Friedrich Berkemeier überzeugt. „Ich wüsste auch nicht, wo ich jetzt noch 100 Leute aus Afrika in Saerbeck unterbringen sollte. Aber wenn jemand seit Jahren bei uns lebt, sich integriert, die Sprache spricht, hier arbeitet und selbst für seinen Lebensunterhalt sorgt, dann kann ich diesen Menschen nicht einfach wieder zurückschicken.“  

Was nach Ende der Ausbildung 2017 sein wird, ist noch unklar. „Natürlich würde es mich freuen, wenn ich hierbleiben und hier weiter arbeiten könnte“, sagt Barkindho Diallo und bekommt Zustimmung vom Chef. „Du bist auf dem besten Wege dahin“, lobt Friedrich Berkemeier. Dass er wieder zurück nach Guinea geht, kann Barkindho Diallo sich nicht vorstellen. Inzwischen lebt er in einer Wohngemeinschaft mit zwei Freunden, fühlt sich in Saerbeck zu Hause. Er sagt: „Ich habe meine Familie verloren, aber ich habe hier eine neue Familie gefunden. Ich kann immer nur sagen: Danke allen, die mir geholfen haben.“ Auch KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner hofft, dass der junge Mann aus Guinea bleiben kann: „Wir brauchen junge Menschen wie Barkindho Diallo.“ Er sei ein gutes Beispiel für gelebte Integration

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In der Werkstatt erklärt Barkindho Diallo dem KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner (l.), woran er gerade arbeitet. Seit neun Monaten arbeitet der junge Mann aus Afrika im Betrieb von Friedrich Berkemeier (r.).