Kontrollbarometer bevorteilt industrielle Lebensmittelproduktion

Kreishandwerkerschaften des Münsterlandes mahnen Grünen-Politiker zu Nachbesserungen beim Kontrolltransparenzgesetz

Unmittelbar vor der geplanten Verabschiedung des sogenannten Kontrolltransparenzgesetzes (KTG) im NRW-Landtag haben die Verantwortlichen der Kreishandwerkerschaften im Münsterland dringend Nachbesserungen angemahnt. In einem gemeinsamen Gespräch mit den Landtagsabgeordneten von Bündnis 90/ Die Grünen Dr. Birgit Beisheim und Norwich Rüße in Rheine verdeutlichten die Geschäftsführungen der Kreishandwerkerschaften Steinfurt-Warendorf, Münster, Coesfeld und Borken sowie Obermeister aus dem Lebensmittelhandwerk ihre Kritik am sogenannten Kontrollbarometer. Das auch als Hygieneampel bekannt gewordene geplante System zur Veröffentlichung der Ergebnisse von behördlichen Hygienekontrollen benachteilige das Lebensmittelhandwerk und verschaffe Anbietern von Lebensmitteln aus industrieller Fertigung einen klaren Vorteil, kritisierten die Vertreter des Handwerks.  

„Wir sind befremdet darüber, dass ausgerechnet die Partei, die für Werte wie Nachhaltigkeit und Regionalität steht, mit dem geplanten Kontrolltransparenzgesetz die Aldis und Lidls dieser Welt stärkt“, sagte Frank Tischner, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft (KH) Steinfurt-Warendorf. Denn während im Lebensmittelhandwerk Produktionsstätten und Verkaufsräume gleichermaßen auf den Prüfstand gestellt werden, bräuchten die Discounter keine Nachweise über die Zustände ihrer Produktionsstätten zu erbringen. „Was ist mit den Discountern, die ihre Großlieferungen vorgefertigter Backwaren zum Teil aus polnischen Betrieben bekommen? Warum gilt die Pflicht zur Transparenz von der Produktion bis zum Verkauf nicht für alle Anbieter gleichermaßen?“, fragte Ulrich Müller, Geschäftsführer KH Coesfeld. Christoph Bruns, Hauptgeschäftsführer KH Borken, unterstrich, dass sich die Betriebe des Lebensmittelhandwerks keinesfalls gegen ein striktes Kontrollsystem wenden. „Aber wir sind der Auffassung, dass hier keine Transparenz geschaffen wird, sondern eine diffuse, nicht messbare Verunsicherung auf Seiten der Verbraucher heraufbeschworen wird.“  

Unter anderem bereitet die grafische Ausgestaltung des Kontrollbarometers mit einem Pfeil, der auch Abstufungen im grünen Bereich vorsieht, den Akteuren des Lebensmittelhandwerks große Sorgen. So berichtete Jan-Hendrik Schade, Hauptgeschäftsführer KH Münster, von Unternehmern, denen im Rahmen der Projektphase in Bielefeld hohe zusätzliche Kosten entstanden sind. Zudem gebe es zum Beispiel bauliche Gegebenheiten, die ein Erreichen der Höchstpunktzahl von vornherein ausschließen. Das habe mit mangelnder Hygiene nichts zu tun. Diese Mehrkosten stellten die ohnehin schon extrem belasteten Mittelständler im Handwerk oftmals vor die Existenzfrage und sorgten für einen erheblichen Druck auf die Betriebe. Die Obermeister der münsterländischen Bäcker-Innungen bekräftigten anhand zahlreicher Praxisbeispiele, dass das geplante KTG schon jetzt zu erheblichen Problemen und Verunsicherungen in den Betrieben führe und viele Handwerksunternehmer ursprünglich vorgesehene Investitionen zurückstellten.

Mit Dr. Birgit Beisheim, der Sprecherin für Industriepolitik und Diversity Management der Landtagsfraktion Bündnis 90/ Grüne, hatten die Vertreter des Handwerks eine ausgewiesene Fachpolitikerin eingeladen. Als Mitglied der Enquete-Kommission „Handwerk“ unterstrich sie ihr Vertrauen in die qualitativ hochwertige Arbeit der Innungsbetriebe im Lebensmittelhandwerk. „Mit Ihrer fachlichen Qualifikation brauchen Sie nicht zu befürchten, die geforderten Standards nicht zu erreichen“, sagte sie. Vielmehr diene das Gesetz in erster Linie dazu, die Ergebnisse der amtlichen Überwachung öffentlich einfacher zugänglich zu machen, so dass Schwarze Schafe sich nicht mehr so leicht verstecken können. Anders als im Lebensmittelhandwerk können Betriebsinhaber aus anderen Bereichen, wie der Gastronomie, Leistungen ohne Sachkundenachweis erbringen. Entsprechend problematisch gestalte sich der Umgang mit Hygienevorschriften vor allem in vielen kleineren Betrieben, die nicht zu den von Meisterhand geführten Unternehmen des Lebensmittelhandwerks gehören.  

Mit Blick auf die bevorstehende Verabschiedung des Gesetzes verwiesen Dr. Birgit Beisheim und Norwich Rüße auf die geplante dreijährige Pilotphase.  Sie ermutigten ihre Gesprächspartner, die Umsetzung des KTG kritisch zu begleiten. Norwich Rüße: „Ich kann Ihre Bedenken nachvollziehen. Dennoch bin ich überzeugt, dass das KTG der richtige Weg ist. Lassen Sie uns die dreijährige Pilotphase nutzen, um Ihre Sorgen aus dem Weg zu räumen.“


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n einem gemeinsamen Gespräch machten die Vertreter der Kreishandwerkerschaften im Münsterland gegenüber den Grünen-Landtagsabgeordneten Dr. Birgit Beisheim (r.) und Norwich Rüße (2.v.r.) deutlich, inwieweit das geplante Kontrolltransparenzgesetz das Lebensmittelhandwerk in der Region unter Druck setzt.