Im Handwerk zählt nicht, woher man kommt

„Bei uns zählt nicht, wo man herkommt. Sondern wo man hin will.“ – ein Statement mit großer weißer Schrift auf blauem Hintergrund von einem Wirtschaftszweig, der von sich in Anspruch nimmt „Die Wirtschaftsmacht. Von nebenan.“ zu sein. Das Plakat aus der Imagekampagne des Handwerks spiegelt die Wirklichkeit in den Werkstätten, Geschäften, Salons oder Baustellen wider, denn so vielfältig das Handwerk mit seinen mehr als 100 Ausbildungsberufen ist, so unterschiedlich sind die Menschen, die im Handwerk arbeiten und dort ausgebildet werden.  

„Im Alltag unserer Handwerksbetriebe sind Menschen mit einem Migrationshintergrund Normalität“, stellt Frank Tischner, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf fest und gibt auch gleich hierfür die Begründung: „Die Integration läuft in kleineren Betrieben anders ab als in Großunternehmen. In einem klassischen Handwerksbetrieb muss man ständig kooperieren, kommunizieren und sich mit anderen auseinandersetzen – sei es betriebsintern oder mit dem Kunden. Da besteht keine Möglichkeit sich auszuschließen. Der Arbeitsalltag sorgt automatisch für die Integration.“  

Dass es junge Leute mit Migrationshintergrund bei Ihrem Einstieg in Ausbildung und Beruf nicht immer leicht haben, will Günter Schrade dabei gar nicht bestreiten. Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, der für den Bildungsbereich verantwortlich ist, sieht aber einen Umdenkungsprozess bei vielen Betrieben. „Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass es insgesamt schwieriger geworden ist, die Ausbildungsstellen mit geeigneten jungen Leuten zu besetzen, so dass man endlich auch denen eine Chance gibt, die nicht durch einen typischen deutschen Namen, aber eben mit Leistung und Einsatzwillen punkten“, so Günter Schrade. „Und die guten Erfahrungen aus bisherigen Ausbildungsverhältnissen tun ihr übriges“, ist er überzeugt.  

Vergleicht man den Anteil der Anteil der ausländischen Einwohner mit dem Anteil derjenigen Auszubildenden ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die bei der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf registriert sind, dann ist deren Anteil fast gleich groß. Doch die Ausbildungsstatistik zählt eben nur die Ausländer unter den Handwerkslehrlingen. Auch so mancher Auszubildender mit deutschem Pass besitzt einen Migrationshintergrund, so dass das Handwerk schon heute mehr Integrationsarbeit leistet als die nackten Zahlen dies zum Ausdruck bringen.    

Der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft sieht in der Ausbildung von Migrantenkindern nicht nur ein bildungspolitisches Gebot und eine demographische Notwendigkeit, sondern auch die Vorteile für die Handwerksunternehmen. „Unsere Gesellschaft ist so bunt, das muss man auch bei der Belegschaft wiederfinden. Der Betrieb gewinnt mit diesen Auszubildenden und Mitarbeitern ja jemanden mit zusätzlichen Sprachkenntnissen und interkulturellen Kompetenzen, die zur Pflege und Gewinnung neuer Kundenkreise wertvoll sein können.“  

Ob es sinnvoll ist, auch Flüchtlinge oder junge Leute aus Spanien oder Griechenland für eine Berufsausbildung im deutschen Handwerk zu gewinnen, sieht Frank Tischner differenziert. Bei der Frage eines Ausbildungsangebotes für Flüchtlinge unterstützt er die Forderung des Handwerkspräsidenten Hans Peter Wollseifer nach einem Bleiberecht für die Dauer einer Ausbildung und für zwei weitere Jahre, um die Betriebe zu motivieren und ihnen Planungssicherheit zu geben, wenn sie diese Jugendlichen ausbilden. Dies sei jedoch in erster Linie ein humanitäres Thema. Den Einfluss auf den heimischen Arbeitsmarkt bewertet er nur als gering.  

Auch die Zahl junger Südeuropäer, die hierzulande eine Ausbildung absolvieren und die dann den Betrieben auch zukünftig als Arbeitnehmer zur Verfügung stehen werden, wird nach seiner Einschätzung das Fachkräfte-Problem nicht lösen, sei aber eine gute Werbung für das erfolgreiche deutsche duale Ausbildungssystem.  

Und das Interesse im Ausland an der „Lehre made in Germany“ wächst. Das merkt auch die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf, die in den letzten Jahren aus verschiedenen Ländern Vertreter aus Politik und Wirtschaftsverbänden in ihren Bildungscentern zu einem Informationsaustausch begrüßen konnte – „darunter sogar ein König aus Südafrika“, berichtet Frank Tischner über einen Kontakt, den ein heimisches Architekturbüro und ein Maschinenbauunternehmen im Rahmen eines Projekts in diesem Land hergestellt hatten. Das Problem aufstrebender Wirtschaftsnationen, nicht über eigene Fachkräfte und eine geeignete Bildungsstruktur zu verfügen, ist für die Kreishandwerkerschaft die Chance, ihr langjähriges Knowhow im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung weiterzugeben und auch die „Spezialität“ des Handwerks, die überbetrieblichen Unterweisungen während der Ausbildung, für den Bedarf in anderen Staaten einzusetzen. Und ähnlich wie bei vielen Deutschen im Ausland, die nicht auf ihr Schwarzbrot verzichten möchten, legen auch heimische Unternehmen in ihren auswärtigen Niederlassungen Wert auf gut ausgebildete Mitarbeiter, die den in Deutschland gewohnten Standards entsprechen. Auch hier bietet sich die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf als Partner in Sachen Bildung und Qualifizierung an. Damit folgt sie einem anderen Motto aus der Handwerkskampagne: „Können kennt keine Grenzen.“

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Auch mit einem Migrationshintergrund hat man im Handwerk gute Chancen, denn "Können kennt keine Grenzen".