Geld alleine sorgt nicht für Auszubildende

„Jedes Jahr zum Ausbildungsbeginn wird diese „Sau“ durchs Dorf getrieben“, stöhnt Frank Tischner, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf.

Mit „Sau“ meint er – natürlich sinnbildlich – das Thema „Höhe der Ausbildungsvergütungen“ und die jetzt veröffentlichten Auswertungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die von den Medien in diesen Tagen des Öfteren zitiert wird. „Die Richtigkeit der dort dargestellten Zahlen wird nicht in Frage gestellt, auch nicht, dass es große Unterschiede bei den Ausbildungsvergütungen gibt – sowohl bei den Branchen wie auch bei den Regionen. Das ist nicht neu“, erklärt er. Ihm fehlt aber bei der Darstellung der Studie die Differenzierung.

„Unbestritten gibt es auch noch nach 30 Jahren der Wiedervereinigung ein Ost-West-Gefälle, das nicht mehr in die heutige Zeit passt. Was mich dabei stört ist, dass immer als krasses Negativ-Beispiel die Azubi-Vergütungen der Friseure in Thüringen herangezogen werden. Wir sind in Nordrhein-Westfalen und deshalb ist für mich auch nur die hiesige Situation maßgeblich.“ Natürlich weiß Tischner, dass auch hier der Friseurnachwuchs weniger Ausbildungsvergütung erhält als Azubis in anderen Ausbildungsberufen. Aber das ist für ihn Äpfel mit Birnen vergleichen. Es gibt Berufe, und dazu gehört beispielsweise auch das Friseurhandwerk, bei denen die Personalkosten einen ungleich höheren Anteil an den Gesamtkosten haben als beispielsweise in industriellen Produktionsbetrieben oder in der öffentlichen Verwaltung, wo ganz andere Kostenfaktoren zu Buche schlagen beziehungsweise wo man Kostenerhöhungen in diesem Bereich viel leichter gegenfinanzieren kann.

Bei der Diskussion um Akquirierung von Auszubildenden findet Tischner den Aspekt der Höhe der Ausbildungsvergütung sowieso nur zweitrangig. Dem vom WSI in diesem Zusammenhang angeführten Argument, dass man mit höheren Ausbildungsvergütungen den dringend benötigten Berufsnachwuchs gewinnen kann, hält der KH-Hauptgeschäftsführer das Beispiel des Bauhandwerks entgegen, wo die Auszubildenden Spitzenverdiener im Handwerk sind. Doch auch hier haben die Bauunternehmungen seit Jahren enorme Schwierigkeiten, die angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen.

„Hier gilt die Binsenweisheit ‚Geld alleine macht nicht glücklich‘, heißt: lockt auch nicht junge Menschen in eine handwerkliche Ausbildung“, so Tischner. Berufswahlentscheidungen werden heute selten wegen der Höhe der Ausbildungsvergütung getroffen, sondern mit Blick auf Image, Zukunftschancen und einer guten Work-Life-Balance. „Das Handwerk kann hier auch außerhalb von monetären Aspekten für Jugendliche attraktiv sein. Die Betriebe sollten deshalb ihr Augenmerk auch auf Punkte wie den Einsatz moderner und digitaler Systeme, Familienfreundlichkeit, Förderung leistungsstarker Auszubildender und dem im Handwerk so typischen Teamgeist legen, wenn man junge Leute für eine betriebliche Ausbildung gewinnen will.

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