Auch ohne mehr Geld ist Mitarbeiterbindung im Handwerk möglich

KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner zeigt Alternativen auf. Wichtig findet Tischner, dass die Unternehmen erkennen, dass viele Mitarbeiter in ihrer Lebensplanung nicht mehr nur der Arbeit, sondern gleichberechtigt auch der Familie Platz einräumen wollen.

Das IT-Unternehmen Hewlett Packard bietet seinen Beschäftigten jetzt eine halbjährige Elternzeit bei voller Bezahlung an. Der Grund: qualifizierte und leistungsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und an das Unternehmen zu binden. „Für Unternehmen in dieser Größenordnung ist dies einfach umzusetzen, für ein Handwerksunternehmen mit 10 Beschäftigten aber nicht zu realisieren, auch wenn es für die Betriebe immer schwieriger wird, gutes Personal ausreichend vorzuhalten“, stellt Frank Tischner, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf (KH) klar.

Er räumt ein, dass die Verdienstmöglichkeiten für die Beschäftigten bei der Berufswahl oder bei der Entscheidung für einen Arbeitsplatz eine wichtige Rolle spielen. „Da ist beim Handwerk, bei dem in vielen Bereichen das Personal Kostenfaktor Nr. 1 in der Preiskalkulation darstellt, und Produkte und Dienstleistungen an den Endverbraucher verkaufen muss, wenig Luft nach oben. Es ist ja nicht so, dass unsere Innungsbetriebe, die nach Tarif zahlen, ihren Beschäftigten kein besseres Einkommen wünschen, aber die dadurch bedingten Mehrkosten müssen auch am Markt verkauft werden können, zumal die Lohnzusatzkosten, die mit rund 30 % zu Buche schlagen, sich nicht auf dem Lohnzettel und im Geldbeutel der Mitarbeiter wiederfinden, vom Unternehmer aber miteinkalkuliert werden müssen.“

Tischner weist auch darauf hin, dass insbesondere bei den jungen Leuten nicht allein das Geld zählt, sondern auch ein ausgewogenes Betriebsklima, mögliche Weiterbildungschancen, Aufstiegsmöglichkeiten oder auch die Beachtung der Work-Life-Balance. Und da können seiner Meinung nach auch Handwerksunternehmen so manches bieten.

„Es gibt viele kleine Stellschrauben, um die Bindung an das Unternehmen attraktiv zu machen“, erklärt der KH-Hauptgeschäftsführer und nennt neben Wertschätzung und Unternehmenskultur auch praktische Dinge wie die Einbindung der betrieblichen Gesundheitsförderung, die von vielen Krankenkassen unterstützt wird, oder die Weiterbildung der Mitarbeiter. Sie ist ein wichtiges Instrument für Motivation und Bindung an das Unternehmen und wird für kleinere Betriebe dank des Bildungsschecks NRW erleichtert. Und manchmal sind es nur kleine Dinge, die in den Familienunternehmen im Handwerk Wirkung zeigen: „Ein für Familienfreundlichkeit ausgezeichnete Bauunternehmung versorgt seit Jahren ihre Mitarbeiter an den Baustellen mit ausreichendem Sonnenschutz in den Sommermonaten. Das ist nichts Großes, aber ein Zeichen, dass man sich um die Gesundheit und das Wohlergehen der Mitarbeiter kümmert“, berichtet Frank Tischner.

Wichtig findet Tischner, dass die Unternehmen erkennen, dass viele Mitarbeiter in ihrer Lebensplanung nicht mehr nur der Arbeit, sondern gleichberechtigt auch der Familie Platz einräumen wollen. Ein Beispiel, wie man die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern kann, ist die Großtagespflegestelle für Kinder bis 3 Jahren bei der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf am Standort Rheine, die 2017 in Kooperation mit der Stadt Rheine im Rahmen der Unternehmerinitiative „Rheine – Standort der guten Arbeitgeber“ eingerichtet wurde. In der „kids.company“ können örtliche Unternehmen Plätze für Kinder ihrer Mitarbeiter buchen, damit Mutter oder Vater weiter in dem Unter-nehmen ihr Knowhow einbringen können „Es ist ein erfolgreiches Modellprojekt und die erste Großpflegestelle in einer Kreishandwerkerschaft in ganz Deutschland“, erklärt Frank Tischner. Derzeit sind zwar nur 30 % der Plätze belegt, weil ältere Kinder die kids.company verlassen haben und „wir nicht den Einfluss darauf haben, dass die Mitarbeiter der Unternehmen passgenau Eltern werden“ fügt Tischner mit einem Schmunzeln an, an dem Erfolg der kids.company lässt er aber keinen Zweifel. Erst vor kurzem war er zu einer Expertenanhörung im Landtag zum Kinderbildungsgesetz eingeladen, um über die Erfahrungen der kids.company zu berichten.

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Statt mehr Geld in der Lohntüte zum Beispiel Betreuung für die Kinder: KH-Hauptgeschäftsführer Frank Tischner vor der Großtagespflege kids.company sieht auch für kleinere Unternehmen Stellschrauben bei der Mitarbeiterbindung.